Mein perfekter Schreibtag auf Rügen

Mein perfekter Schreibtag findet in Binz statt. Denn ein Arbeitsplatz mit weitem Ostseeblick ist dafür unverzichtbar, und den gibt es in hübschen Ferienwohnungen entlang der Strandpromenade. In der Vor- und Nachsaison sind sie durchaus bezahlbar (siehe dazu: »Schreiben mit Aussicht«).

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Um den perfekten Schreibtag optimal ausnutzen zu können, wache ich gegen halb sieben auf. Der erste Blick durch die Fenster der rundum verglasten Loggia ist jeden Morgen wieder atemberaubend. Wenn die Ostsee im Licht der frühen Sonnenstrahlen glitzert und der Himmel blau ist, lässt sich der innere Schweinehund leicht überlisten. Dann jogge ich eine halbe Stunde am Strand, und mache auf dem Rückweg einen Schlenker zur Bäckerei Peters. Zurück in der Wohnung: Kaffeemaschine anstellen, duschen, frühstücken mit Strandbrötchen und – ganz wichtig – der Ostseezeitung, einer unerschöpflichen Inspirationsquelle für Figuren, Orte, Begebenheiten.

Spätestens halb neun schiebe ich das Geschirr zur Seite und starte den Laptop – in Binz gibt es kein Arbeitszimmer, nur den einen großen Tisch, von dem aus ich einen Rundumblick habe: auf die Promenade, das Kurhaus, die Seebrücke, den Hafen von Mukran und auf Sassnitz, über die ganze Bucht bis zum Horizont. Großartig! Noch einmal Kaffee eingießen und los geht’s. Um reinzukommen, lese und korrigiere ich die letzten Seiten, die ich am Vortag geschrieben habe. Dann beginnt das Wechselspiel aus Tastendrücken, Geschriebenes auf dem Bildschirm betrachten, in die Ferne sehen, Nachsinnen, Weiterschreiben. An einem perfekten Tag komme ich in den Flow, schaffe es, mich ganz auf meine Geschichte zu konzentrieren und nicht zwischendurch zu recherchieren, dies oder das zu googeln, eben mal E-Mails zu checken …

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Ziemlich genau mittags um zwölf brauche ich eine Pause. Meist schnippele ich mir eines meiner Ein-Pfannen-Gerichte mit viel Gemüse zusammen, in Binz gehe ich manchmal auch essen. Zu Hause arbeitende Freiberufler müssen auf manches verzichten (auf Gespräche mit Kollegen etwa), dafür können sie das Privileg des Mittagsschlafs genießen. Ein Ritual, das ich seit Jahrzehnten pflege, auch als es noch nicht so dynamisch Power-Napping genannt wurde. Zur Mittagspause gehört außerdem meine unterhaltsame Dreiviertelstunde mit der Telenovela »Rote Rosen«. Spätestens danach wird es Zeit für den Strandspaziergang, bei dem sich wirre Gedankengänge ordnen und neue Ideen reifen. Zuweilen kann ich mir einen Abstecher zum »Torteneck« nicht verkneifen. Kuchen und Tee läuten die zweite Schreibphase ein, nochmals ein bis zwei Stunden. An einem perfekten Schreibtag schaffe ich insgesamt vielleicht fünf Seiten, oft weniger.

Zwischen sechs und sieben am Abend lässt die Konzentration meist nach. Dann stehen Abendessen, Telefonieren, Facebook, Twitter und die Planung für den nächsten Tag auf dem Plan.

Den Feierabend läutet traditionell die Tagesschau ein, danach mache ich es mir mit einem Buch und einem Glas Rotwein bequem, zwischendurch schaue ich immer mal wieder hinaus auf die dunkle Ostsee, die beleuchtete Strandpromenade und das Lichtergeflimmer von Sassnitz. Und ich lausche der Stille.

Manchmal denke ich, oh mein Gott, wie langweilig. Aber genau diese Ruhe und Gleichförmigkeit brauche ich, um kreativ sein zu können.

Was brauchen Sie, um kreativ zu sein?

7 Gedanken zu “Mein perfekter Schreibtag auf Rügen

    • Der Beitrag war aus der Rückschau verfasst, aber Ende April bin ich wieder in Binz und werde hoffentlich wieder perfekte Schreibtage genießen können. Herzlichen Gruß aus Köln (heute für Nicht-Jecke nicht perfekt, weil Ausnahmezustand. Ich werde jetzt schon von Karnevalsmusik umbraust.)

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  1. Eigentlich Ruhe und Zeit, aber manchmal kommen mir die Ideen auch mitten in der Nacht. Dann stehe ich schnell auf und schreibe sie ins Notizheft, sonst ist am anderen Morgen alles fort. Herzliche Grüße !

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